1
Okt
2007

BKA, unser neuer Geheimdienst

Wir haben ja ein Bundeskriminalamt, welches eine Polizeibehörde ist (seine Aufgabe ist die Zusammenarbeit in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten). Und wir haben ein Bundesverfassungsgericht, welches meinte:
Für die in Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GG vorgesehenen sonderpolizeilichen Behörden des Bundes stellt sich allerdings die Frage eines Trennungsgebotes. Das Rechtsstaatsprinzip, das Bundesstaatsprinzip und der Schutz der Grundrechte können es verbieten, bestimmte Behörden miteinander zu verschmelzen oder sie mit Aufgaben zu befassen, die mit ihrer verfassungsrechtlichen Aufgabenstellung nicht vereinbar sind. So werden die Zentralstellen für Zwecke des Verfassungsschutzes oder des Nachrichtendienstes - angesichts deren andersartiger Aufgaben und Befugnisse - nicht mit einer Vollzugspolizeibehörde zusammengelegt werden dürfen[...].
Was macht unsere Bundesregierung? So gründete 2004 ein Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum, wo diese ganzen Behören miteinander vereint werden. Nein, natürlich nicht verschmolzen, nur halt nebeneinander gesetzt.

Das war der erste Streich, der zweite folgt sogleich. Unserer Bundesinnenminister Wolfgang 'ich mache den Leuten keine Angst, ich erzähle ja nur von kommenden Bomben' Schäuble bereitet ein neues BKA-Gesetz vor. Die Zeit hat sich dieses mal etwas genauer angeschaut. Die Highlights daraus sind:
  • Das BKA wird eine eigene Polizei, wenn es um Abwehr des internationalen Terrorismus geht. Es soll nicht mehr nur die Polizeiarbeit der Länder koordinieren. Dies könnte einen kleinen Konflikt mit dem Grundgesetz ergeben.
  • Die bisherige Polizei darf auch nur dann vorbeugend eingreifen, wenn eine Gefahr für bestimmte Schutzgüter tatsächlich besteht. Alles andere ist Sache der Geheimdienste. Eine solche Einschränkung jedoch findet sich im BKA-Gesetz angeblich nicht (wird auch schwierig, denn ich glaube nicht, daß das BKA beweisen kann, daß ein Terroranschlag mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit bevorsteht).
  • Obwohl das Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt dient, darf es auch Straftaten gemäß §129a Abs. 1 und 2 StGB verhindern, wenn sie dazu bestimmt sind, "die Bevölkerung auf erhebliche Weise einzuschüchtern, eine Behörde oder eine internationale Organisation rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt zu nötigen". Solche nationalen Straftaten sind aber schon seit jeher Aufgabe der Landeskriminalämter.
  • Einen Richtervorbehalt gibt's nur bei längeren Maßnahmen, denn "bei Gefahr im Verzuge kann die Anordnung (...) durch die Abteilungsleitung/den Präsidenten des Bundeskriminalamtes getroffen werden. Soweit die Anordnung nicht binnen drei Tagen durch das Gericht bestätigt wird, tritt sie außer Kraft."
  • Die Benachrichtung einer überwachten Person kann unterbleiben, wenn dadurch "das Leben einer Person, bedeutendes Hab und Gut oder der Staat" gefährdet würden. Fällt unter "Staat" auch ein Abteilungsleiter des BKAs? Ein Richter darf dies nach einem Jahr prüfen (er sieht aber nur, was ihm das BKA vorspielt, die abgehörte Partei ist ja logischerweise nicht vor Gericht vertreten).
  • Das BKA darf die Rasterfahndung auch auf nicht-öffentliche Stellen ausweiten (nicht nur Ämter und Behörden, sondern auch die Datenbanken von Firmen dürfen durchsucht werden, so ungenau sie auch sein mögen, nur die Datenbanken von Geheimdienste bleiben unangetastet (es sei denn, man trifft sich im Hof des GTAZ)). Eine riesige Datenkrake.
  • Das BKA darf erstmal alles abhören und mitschneiden, auch höchstprivates. Ein Richter soll nachher entscheiden, was verwertet werden darf. Ja, ja. Da glaub ich irgendwie nicht dran, daß niemals ein BKA-Mitarbeiter da reinhört.
Und in den obigen Punkten ist der Bundestrojaner noch nicht mal aufgeführt. Und Bundestrojaner ist da noch ein harmloser Begriff. Es geht darum, heimlich in die Wohnung des Opfers einzubrechen, seine Festplatten zu kopieren, im BKA zu analysieren, nochmal einzubrechen und eine Software aufzuspielen (und auch weitere Daten der Festplatte zu manipulieren), um fortan direkt auf die Daten des Nutzers zugreifen zu können. Sieht da niemand ein Problem?

Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung hat in der NZZ einen schönen Beitrag über den Umbau des Rechtsstaates zum Präventionsstaat, wo jeder Bürger potentiell verdächtig ist und somit Opfer von staatlichen Überwachungsmaßnahmen werden kann, geschrieben. Sehr empfehlenswert.

Der Tagesspiegel berichtet in der heutigen Ausgabe dazu noch, wie schnell man Objekt von Ermittlungsmaßnahmen des BKAs werden kann. Es genügt, sich auf der Webseite des BKAs über die "Militante Gruppe" zu informieren. Der BKA habe IP-Adressen der Nutzer seines Informationsangebotes überprüft und die Internetnutzer identifiziert. Und diese Behörde soll noch mehr Überwachungsbefugnisse bekommen? Na vielen Dank.

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