Wirtschaft

1
Sep
2007

Käuflicher Standard

Was machst Du, wenn Du als große und mächtige Firma einen Standard durchkriegen willst? Richtig, du ermunterst Partnerfirmen dazu, sich ebenfalls in den nationalen Gremien zu engagieren. Jede weitere Firma ist eine weitere Stimme für den Standard. In Schweden traten so auf einmal 23 neue Mitglieder dem Standardisierungsgremium bei, bei 34 abgegebenen Stimmen am Ende war das also eine gekaufte Mehrheit für Microsofts OOXML. Microsoft bezahlte die Firmen zwar nicht direkt die Mitgliedsgebühren, versprach dafür aber Marketingunterstützung und sonstige Unterstützung mit Microsofts Ressourcen, wenn die Firmen mit Ja stimmten.

SIS, das schwedische Standardisierungsinstitut erklärte diese Abstimmung nun für ungültig, da Informationen darüber vorlägen, eine Firma hatte mit mehr als einer Stimme abgestimmt.

Das gleiche geschah auch in den USA, dort gab es auf einmal 19 neue Mitglieder, eine Mehrheit für Microsoft zeichnet sich nun dort ab.

Oder in Italien, wo die Mitglieder des Komitees von 4 auf 85 anschwellte. Hier haben aber auch ODF-Anhänger zum gleichen Mittel gegriffen, um Microsoft Paroli zu bieten, so daß nun eine Enthaltung herauskam.

Oder in Portugal wurden die Aufnahmeanträge von IBM und Sun (Gegner von OOXML) abgelehnt, weil das Gremium bereits zu voll sei, es paßten angeblich nur 20 in den Raum, es gab aber schon 25 Mitglieder (Interessanterweise stand der dortige Microsoft-Manager dem Komitee vor und lehnte die Anträge ab, wieso aber nicht die von den 5 Mitgliedern davor?)

Oder in der Schweiz wurden Einwände der SIUG (Swiss Internet User Group) durch den Vorsitzenden, dem Generalsekretär von ECMA, welche OOXML als ECMA-Standard verabschiedete hatte, einfach vom Tisch gewischt und im Verfahren nicht weiter beachtet. Die FSFE (Free Software Foundation Europe) hat gemeinsam mit der SIUG Einspruch über die Verfahrensweise erhoben.

Oder in Norwegen verteilte Microsoft Standardbriefe an seine Partner, welche sie als Eingaben an das Standardisierungsgremium schicken sollten. 37 identische Briefe trafen dort ein.

Oder in Ungarn sollen die Einladungen nicht rechtzeitig verschickt worden sein und die Abstimmungsregeln von Zwei-Drittel-Mehrheit auf einfache Mehrheit entgegen den Bestimmungen des Instituts geändert worden sein, weswegen die Standardgegner benachteiligt worden seien. (Die Abstimmung wird jetzt wiederholt, seitdem gibt es angeblich eine Menge neuer Mitglieder.)

Rob Weir berichtet von diversen Betrugsversuchen, wo nationale Komitees in die Irre geführt werden sollten, damit sie ihre Stimme nicht rechtzeitig oder richtig abgeben (z.B. indem man Ihnen einen späteren Stichtag nennt).

Auch in Deutschland ging das DIN-Gremium nicht astrein vor. Hier durfte Google und die Deutsche Telekom (beide Gegner von OOXML) zwar noch an der Sitzung teilnehmen und Bedenken äußern, aber nicht mehr abstimmen, da sie zu spät dazugestossen seien und so fachlich nicht mehr einbezogen hätten werden können. Zwei Microsoft-Partner jedoch haben sich fachlich überhaupt nicht daran beteiligt, und durften trotzdem mit abstimmen. Das Ergebnis ist ein 'Ja mit Kommentaren', weil man das Verfahren nicht verzögern wolle. (Bei einem Ja sind die Kommentare nur Dekoration, erst bei einem 'Nein mit Kommentaren' ist Microsoft gezwungen, die Kommentare umzusetzen, um die Zustimmung zu erhalten, deswegen schlägt ISO ja auch vor, bei Änderungswünschen mit einem 'Nein mit Kommentaren' zu stimmen.) Desweiteren berichtet Computerwoche darüber, daß eine ungeschriebene Regel des DIN, einem Standard nur bei Einstimmigkeit zuzustimmen, verletzt wurde.

In den Niederlanden geschah hingegen genau das Gegenteil, fast alle stimmten für ein "Nein mit Kommentaren", nur eine Stimme war gegen dieses Ergebnis: Microsoft. Deshalb enthält sich die Niederlande.

Man sieht doch recht deutlich, daß es hier nicht mehr darum gut, einen guten oder sinnvollen Standard zu verabschieden, sondern daß Microsoft seinen Standard bekommt. (Deswegen lasse ich hier auch Details zu OOXML selbst aus, wer will, kann bei Groklaw oder NoOXML.org weiterlesen.)

Nachtrag (05.09.2007): ISO hat nun OOXML (vorläufig) als Standard abgelehnt.

9
Mai
2007

"Der große Selbstbetrug"

Bild-Cheflügner Kai Diekmann hat ein Buch mit dem Titel "Der große Selbstbetrug" geschrieben. Und ganz im Bild-Stil haben auch darin wieder alle anderen Schuld. So schreibt er:
"Das Erbe der 68er hat uns in eine Sackgasse geführt. Es wird Zeit, endlich umzukehren."
WamS-Kommentator Alan Posener hat daraufhin eine herrliche Erwiderung in seinem Weblog geschrieben, dabei aber anscheinend vergessen, daß er im gleichen Verlag arbeitet wie Herr Diekmann. Nachdem aber das BILDblog auf diesen Beitrag hinwies, verschwand er recht zügig, so sind jetzt leider nur noch einige Auszüge erhalten:
Ah ja, klar. (…) Die 68er haben K.D, gezwungen, als Chefredakteur der Bildzeitung nach Auffassung des Berliner Landgerichts "bewusst seinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Persönlichkeitsrechtsverletzung Anderer" zu ziehen. Die 68er zwingen ihn noch heute, täglich auf der Seite 1 eine Wichsvorlage abzudrucken, und überhaupt auf fast allen Seiten die niedrigsten Instinkte der Bild-Leser zu bedienen, gleichzeitig aber scheinheilig auf der Papst-Welle mitzuschwimmen. (…) Man kann nicht die Bildzeitung machen und gleichzeitig in die Pose des alttestamentarischen Propheten schlüpfen, der die Sünden von Sodom und Gomorrha geißelt. So viel Selbstironie muss doch sein, dass man die Lächerlichkeit eines solchen Unterfangens begreift.
(…)
Wenn man ein bisschen zynisch ist, auf miniberöckte Vorzimmermiezen großen, auf Ernsthaftigkeit eher weniger Wert legt, kann man [bei "Bild"] Karriere machen, und das ist völlig OK so. Einer muss es ja machen, so wie einer den Dieter Bohlen machen muss, und einer den Papst. Aber wenn Dieter Bohlen den Papst geben würde, müsste man auch lachen, oder?
Ist doch gut zu wissen, daß im Springer-Verlag noch Disziplin herrscht und abtrünnige Kommentatoren sofort in ihre Schranken gewiesen werden. So ein ähnlicher Fehler ist Welt Online ja auch schon einmal passiert...

Nachtrag:
Laut Lawblogger Udo Vetter, der sie im im Moment nicht erreichbaren Blog von Peter Turi gesehen habe, gibt es eine Stellungnahme der Axel Springer AG dazu:
Stellungnahme der Axel Springer AG zum Beitrag von Alan Posener über Kai Diekmann

Dies ist die Entgleisung eines einzelnen Mitarbeiters. Der Beitrag von Alan Posener über Kai Diekmann ist ohne Wissen der Chefredaktion in den Weblog von Alan Posener gestellt worden.

Der Beitrag ist eine höchst unkollegiale Geste und entspricht nicht den Werten unserer Unternehmenskultur.

Bei Axel Springer gilt Meinungspluralismus, aber nicht Selbstprofilierung durch die Verächtlichmachung von Kollegen.
Lustig, daß bei einem Weblog die Chefredaktion hinzugezogen werden sollte. Aber das ist halt die Unternehmenskultur der Springer AG. "Bei Axel Springer gilt Meinungspluralismus", hahaha, deshalb werden gewisse Überzeugungen (z.B. die Solidarität zur USA) bei Bild auch in den Arbeitsverträgen festgeschrieben. Ansonsten geht es noch um Frage, wo die Grenze zwischen Verächtlichmachung und Kritik ist. Der Springer-Verlag, insbesondere die Bild-Zeitung, mißt da wohl gern mit zweierlei Maß, je nachdem, ob man selbst der Kritiker oder der Kritisierte ist (Details siehe viele Einträge im BILDblog). Doppelmoral hält besser.

30
Apr
2007

Ihre Sicherheit wird gesponsert von...

2012 werden in und um London die Olympischen Sommerspiele stattfinden. Und dazu braucht man auch Sicherheitstechnologien wie zum Beispiel Ausweise, authentifizierte Tickets und Geräte, diese zu prüfen. Und wie wählt man die passende Sicherheitstechnologie aus? Die mit der besten Sicherheit? Mit der besten Tauglichkeit oder Flexibilität?

Weder noch. Derjenige, der es verschenkt. Oder anders ausgedrückt, der Lieferant der Sicherheitssysteme muß ein Hauptsponsor der Olympischen Spiele sein. So verriet es der Vorsitzende des parlamentarischen olympischen Ausschusses Derek Wyatt in einer Rede auf der Infosecurity Europe.

Fühlt man sich da nicht gleich ein Stück sicherer? (Ich werde das Gefühl nicht los, daß es mich doch irgendwie an Bestechung erinnert. Aber diese Ähnlichkeiten sind wohl rein zufällig.) Ach ja, wer hat das Rennen also gemacht? Visa. Die mit den Kreditkarten, deren Sicherheit ja inzwischen wohl unbestritten ist...

Via Bruce Schneier.
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