20
Apr
2007

Schäuble im Interview

Gestern hat unser Verfassungsminister ein Interview im ZDF Heute Journal geben und ist dabei wieder mal den eigentlichen Fragen ausgewichen. Zuallererst von Herrn Kleber auf sein persönliches Schicksal angesprochen betonte er dabei seine persönliche Gelassenhait und sagte:

Ich hab vor einem Jahr, vor der Fußballweltmeisterschaft, immer zur Gelassenheit geraten und gesagt, das Menschenmögliche tun wir, hundertprozentige Sicherheit gibt's nicht.

Ja ja, er hat ja nur die WM als Anlaß genommen, um verstärkt auf den Einsatz der Bundeswehr im Innern hinzuwirken.

Danach kam die eigentlich interessante Frage nach der Angemessenheit der Maßnahmen. Dazu sagte Schäuble:

Herr Kleber, wollen wir es ein bißchen mal auf die Realität zurückführen. Es gibt ein Paßgesetz, das hat die Vorgängerregierung eingeführt, wonach die Bilder in Zukunft elektronisch gespeichert werden, und da muß es in Zukunft den elektronischen Zugriff darauf geben, das hat übrigens die Bundesregierung ohne jeden Streit völlig einvernehmlich als Gesetzentwurf beschlossen. Und jetzt gibt es etwas neues: Bisher war ja der Bund zuständig nicht für die polizeiliche Gefahrenabwehr, das ist Sache der Länder, deswegen hat es Online-Durchsuchungen nur im Bereich der Strafprozeßordnung gegeben und da hat der Bundesgerichtshof - dafür bin ich übrigens alles nicht zuständig - gesagt, dafür braucht's dann, wenn man es machen will, ein Gesetz. Wir haben jetzt durch die Föderalismusreform zum ersten Mal für das Bundeskriminalamt die Zuständigkeit der Gefahrenabwehr für die Gefahren aus dem internationalen Terrorismus. Dafür müssen wir auf der Grundlage unseres Grundgesetzes die gesetzlichen Instrumente, die die Länderpolizeien haben, weil die ja generell zuständig sind, auch für das Bundeskriminalamt einführen. Da brauchen wir auch verfassungsrechtlich einwandfrei begrenzt und ermächtigt die Online-Durchsuchung - das ist klar, weil die Terroristen ja immer stärker über das Online kommunizieren und, weil, wenn überhaupt eine Chance besteht, terroristische Anschläge zu entdecken und zu verhindern, damit sie nicht durchgeführt werden, wir solche Möglichkeiten brauchen, aber das wird verfassungsrechtlich einwandfrei und sorgfältig begründet und begrenzt.

Erkennt in diesem Text irgendjemand eine Aussage, die auf die Angemessenheit eingeht? Irgendwo?

Gehen wir mal schrittweise durch. Die Frage lautete konkret:

Ich glaube, das Geheimnis liegt in dem Stichwort "angemessen" und vielen ist unheimlich, was sie an Arsenal jetzt gesetzlich zusammenstellen wollen. Techniken verbunden mit den passenden Gesetzen, die Menschen durch Kameras durch die ganze Republik verfolgen können, die Mautdaten, die aufgenommen werden können, Direktzugriff auf Bilddateien, vielleicht eines Tages der genetische Fingerabdruck. Da kommt ein Arsenal zusammen, das einen schon Angst eintreiben kann.

Schäuble antwortete darauf:

Herr Kleber, wollen wir es ein bißchen mal auf die Realität zurückführen.

Soso, die Angst aufgrund dieses Arsenals sei also ohne reelle Grundlage. Damit hat er dem Fragenden erstmal Inkompetenz unterstellt. Guter Anfang.

Es gibt ein Paßgesetz, das hat die Vorgängerregierung eingeführt, wonach die Bilder in Zukunft elektronisch gespeichert werden,

Ah, Verantwortung auf andere abwälzen. Dummerweise ist er aber jetzt Bundesinnenminister. Die Vorgängerregierung ist nicht mehr im Amt, deswegen heißt sie ja Vorgängerregierung.

und da muß es in Zukunft den elektronischen Zugriff darauf geben,

Toll. Sobald die Daten existieren, muß es einen Zugriff darauf geben. Feine Logik. Da wissen wir ja schon, was uns blüht. Bank-, Steuer-, Postgeheimnis? Geht nicht, wenn die Daten elektronisch vorhanden sind, dann muß es auch einen elektronischen Zugriff darauf geben.

das hat übrigens die Bundesregierung ohne jeden Streit völlig einvernehmlich als Gesetzentwurf beschlossen.

Schön zu wissen, daß die gesamte Bundesregierung einen Knall hat.

Und jetzt gibt es etwas neues: Bisher war ja der Bund zuständig nicht für die polizeiliche Gefahrenabwehr, das ist Sache der Länder, deswegen hat es Online-Durchsuchungen nur im Bereich der Strafprozeßordnung gegeben und da hat der Bundesgerichtshof - dafür bin ich übrigens alles nicht zuständig - gesagt, dafür braucht's dann, wenn man es machen will, ein Gesetz.

So kann man es auch sehen. Der BGH sieht Online-Durchsuchungen als illegal an, weil man sie nicht mit regulären, offenen Durchsuchungen vergleichen könne, sondern mit der Wohnraumüberwachung vergleichen müsse, zu welcher unser Bundesverfassungsgericht schon einiges zur Zulässigkeit im Kernbereich privater Lebensgestaltung (und dazu zählt mein Computer unbedingt) gesagt hat, und Schäuble interpretiert das nur als "da brauchen wir ein Gesetz". Daß sowas prinzipiell verfassungswidrig sein könnte? Keine Spur von solch einem Gedanken.

Wir haben jetzt durch die Föderalismusreform zum ersten Mal für das Bundeskriminalamt die Zuständigkeit der Gefahrenabwehr für die Gefahren aus dem internationalen Terrorismus. Dafür müssen wir auf der Grundlage unseres Grundgesetzes die gesetzlichen Instrumente, die die Länderpolizeien haben, weil die ja generell zuständig sind, auch für das Bundeskriminalamt einführen.

Die Föderalismusreform ist jetzt schuld an unangemessenen Vorschlägen für die Gefahrenabwehr? Seltsame Begründung.

Da brauchen wir auch verfassungsrechtlich einwandfrei begrenzt und ermächtigt die Online-Durchsuchung - das ist klar, weil die Terroristen ja immer stärker über das Online kommunizieren und, weil, wenn überhaupt eine Chance besteht, terroristische Anschläge zu entdecken und zu verhindern, damit sie nicht durchgeführt werden, wir solche Möglichkeiten brauchen, aber das wird verfassungsrechtlich einwandfrei und sorgfältig begründet und begrenzt.

Diese Argumentation bedeutet ein Wettrüsten, welches der Staat und seine Bürger verlieren müssen. Wenn der Staat seine Methoden an denen der stärksten (geheimsten, raffiniertesten, technisch versiertesten) Verbrecher ausrichtet, dann werden sie ganz schnell unverhältnismäßig gegenüber 99.999% der eigenen Bevölkerung, denn diese kann nicht mit diesen Verbrechern mithalten, wenn es um den Schutz der eigenen Privatssphäre geht.

Danach geht das Interview noch etwas weiter, wo er Herrn Kleber dann vom Verdacht freispricht, ein "terroristischer Gefährder" zu sein. Auf der Frage allerdings, daß "jeder von uns ganz leicht" in einen solchen Verdacht kommen könne, meinte Schäuble:

Ja, und und dann wird er, wenn der Verdacht sich als unbegründet herausstellt, wird er auch informiert, daß er verdächtig war und daß er es nicht gewesen ist.

Hahahaaahahahahaahahaa. So einfach ist das also. Das BKA informiert uns also, was die Polizei bei der Telefonüberwachung jetzt schon nicht ausreichend schafft (2003 wurden zum Beispiel nur 27% der überwachten informiert)?

Und die gesammelten Daten werden danach wirklich gelöscht, auch auf die Gefahr hin, daß ein als unverdächtig Eingestufter dann doch ein Terrorist sei? Und die Daten werden während der Überprüfung nicht für die Bekämpfung anderer Straftaten eingesetzt? (Wenn die Daten ja da sind, muß man sie doch nutzen. Siehe vorherige Aussage.)

Herr Schäuble, ich glaube Ihnen nicht oder Sie verschweigen uns wesentliche Elemente.
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