4
Jun
2007

Verstärkte Suche nach gestohlenen Fahrrädern

Eine freudige Nachricht für alle Fahrradfahrer: Die Polizei greift nun stärker gegen Fahrraddiebe durch!

Ja, ein Beispiel dafür war die Durchsuchung eines Konvoys von 15 LKWs, welcher auf dem Weg zum geplanten Camp der G8-Gegner in Wichmansdorf war. Von jedem Passagier wurden die Personalien aufgenommen, da sie ja Verdächtige einer Straftat (Fahrraddiebstahl) waren. Und mit welcher massiven Polizeipräsenz sie da aufgetreten sind, war sehr eindrucksvoll. Da fühle ich mich mit meinem Fahrrad ja gleich viel sicherer. Alle Fahrzeuge wurden durchsucht (nach Fahrrädern natürlich), die ganze Aktion dauerte 4-5 Stunden. Darüber gibt es auch ein Video. Ein paar Fahrräder wurden auch beschlagnahmt, weil die Seriennummer nicht mehr lesbar war (das sollte ich bei meinem alten Fahrrad wohl auch mal kontrollieren, sonst fahr' ich aus Versehen mal nach Mecklenburg und bin plötzlich mein Fahrrad los).

Ich frage mich nur, ob die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern gerade in Hinsicht auf den G8-Gipfeln nichts besseres zu tun hat, als nach Fahrrädern zu suchen... (oder ausgerechnet die friedlichen Demonstranten einzuschüchtern!)

Europäischer Haftbefehl

2002 beschloß der EU-Rat, die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit auszuweiten und führte den EU-Haftbefehl ein. Dieser beinhaltet unter anderem die Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen eines Mitgliedsstaates und diesbezüglich auch die Auslieferung eines Staatsbürgers an ein Mitgliedsland. Den ersten Versuch einer Umsetzung im deutschen Recht erklärte das Bundesverfassungsgericht für nichtig, weil man auch für im Inland begangene Taten sich nach ausländischem Strafrecht strafbar gemacht haben könne und weil es keinen Rechtsweg gegen die Auslieferung gab (d.h., sobald das EU-Land einen EU-Haftbefehl erwirkte, konnte man im Inland nichts mehr dagegen unternehmen). Die neue Fassung korrigierte diese beiden Punkte.

Nichtsdestotrotz liegt dem EU-Haftbefehl die Vermutung zugrunde, daß es in der EU annähernd gleiche Standards im Strafrecht und Strafvollzug gibt, und zwar sowohl gegenüber den eigenen Staatsbürgern als auch gegenüber Ausländern. Nach dem Fall von Oury Jalloh, der am Bett fixiert in seiner Zelle verbrannte, weil die Wächter den Feueralarm ignorierten, bin ich mir nicht mal sicher, ob es in Deutschland gleiche Standards für Deutsche und Bürger anderer Länder gibt. Um so mehr habe ich Bedenken gegenüber anderen EU-Staaten. Zwei Beispiele durfte ich nämlich kürzlich erst lesen: In Spanien scheint es wohl regelmäßige Übergriffe der Polizisten geben und auch in Polen darf man sich in den Gefängnissen nicht sicher fühlen.

Klar kann man nun aufgrund der Neufassung des EU-Haftbefehlsgesetzes vor Gericht gegen die Auslieferung in einen anderen EU-Staat vorgehen, nur darf man dann beweisen, daß ausgerechnet einem dann eine solche menschenrechtswidrige Behandlung droht. Das ist schwierig, sofern man eine solche Behandlung nicht selbst erfahren hat. Schöne Aussichten.

30
Mai
2007

Meinungsfreiheit in Venezuela

Große Aufregung hier darüber, daß die venezuelanische Regierung die auslaufende Sendelizenz eines Senders nicht verlängert. Das Politblog hat einen lesenswerten Beitrag zu diesem Thema.
Stellen Sie sich mal vor, liebe Leser, ein Privatsender in Deutschland wäre in einen Staatsstreich verwickelt gewesen. Oder - noch besser - in eine Entführungsgeschichte der RAF oder einer anderen terroristischen Organisation. Und vom Bildschirm würde dazu aufgerufen werden, den Bundespräsidenten, den Bundeskanzler und andere Regierungsmitglieder zu ermorden. Wäre das ein Grund, einem solchen Sender die Sendelizenz auf staatlichen Frequenzen zu entziehen?
Man muß dabei im Hinterkopf behalten, daß der venezuelanische Präsident Hugo Chávez ein Sozialist ist, und seine Reformen daher die ärmeren Schichten der Venezuelas unterstützen und die Macht der Reichen gefährden. Seine Opposition, welche sich größtenteils aus den wohlhabenderen Schichten zusammensetzt, läßt daher keine Gelegenheit verstreichen, Chávez aus dem Amt zu jagen. Nicht nur mit Amtsenthebungsverfahren oder Volksreferenden (ein Politiker kann nach der Hälfte seiner Amtszeit per Volksabstimmung abgesetzt werden - eines der plebiszitären Elemente, die es in Deutschland nicht gibt, und unter Chávez eingeführt wurden), sondern auch mit einem Putsch oder einem Generalstreik (der eher eine Massenaussperrung der Erdölindustrie war). Chávez hat jedes der Manöver dieser Opposition nur aufgrund der Unterstützung im Volk überstanden (trotz der damaligen Marktführung der oppositionellen Sender). Die USA unterstützen diese Opposition übrigens finanziell. Chávez hatte schon immer mit einer sehr starken Opposition zu kämpfen, und deswegen ist zu befürchten, daß er beim Versuch, seine Macht auszubauen (d.h. logischerweise die Opposition zu schwächen), vom rechtstaatlichen Wege abkommt. Aber die Hysterie um die ausgebliebene Verlängerung der Sendelizenz, welches genauso gut in Deutschland geschehen könne, verstehe ich trotzdem nicht.

Nachtrag: Zwei ebenfalls interessante Artikel dazu hat das Küchenkabinett. Der Erste vertritt eine ablehnende Haltung zur Poltik Chávez', der Zweite relativiert dies wieder. Beide sind sehr als Lektüre zu empfehlen (und nicht so lang wie der des Politblogs).

29
Mai
2007

Staat will auf Niveau der Terroristen

Der Spiegel führte ein aufschlußreiches Interview mit Monika Harms, der Generalbundesanwältin. Da fallen so Definitionen wie:
Ein Terrorist ist jemand, der die Grundfesten des Staates berührt, indem er mit Gewalt unsere demokratische Grundordnung angreifen will.
Danach wäre Schily und Schäuble auch Terroristen, weil sie durch eine verfassungswidrige Dienstanweisung oder Verordnungen die Grundfeste des Staates, speziell unsere Grundrechte oder z.B. die Trennung von Polizei und Geheimdiensten, angriffen, und sich dabei der Staatsgewalt als Exekutive bedienten. Aber das nur am Rande.

Es geht nämlich weiter über die Online-Durchsuchung:
Islamistische Terroristen kommunizieren über das Internet, und deshalb sollten wir in bestimmten Fällen heimlich in die Computer schauen dürfen.
[...]
Das ist doch kein Selbstzweck und kein Angriff auf die Bürger. Es geht im Gegenteil darum, die Bürger zu schützen. Wir versuchen gerade, Anschläge möglichst von unserer Gesellschaft fernzuhalten, und dafür müssen wir auf Augenhöhe mit denen bleiben, die unsere Freiheit bedrohen.
Und da kommt wieder das Argument: "Wenn die Bösen brutaler werden, dann müssen wir auch brutaler werden." Dieses Argument ist genauso praktisch wie: "Da wir diese Straftat nicht aufklären konnten, brauchen wir neue Ermittlungsmethoden." Argumente, mit denen man sich in einen Teufelskreis begibt. Polizei überwacht die Telefone, Kriminelle besprechen sich in den Wohnungen, Polizei belauscht die Wohnungen, Kriminelle besprechen sich via Internet, Polizei überwacht die elektronischen Postfächer, Kriminelle verschlüsseln ihre E-Mails, Polizei will direkte Kontrolle auf die Rechner.[1] Glaubt auch nur einer, daß es dabei bleiben wird? Und auf dem Weg dahin gehen eine ganze Menge der eigenen Grundrechte verloren. Im Gegensatz zu organisierten Terroristen und Kriminellen kann sich nicht jeder Normalbürger gegen diese Eingriffe schützen. Und so überschreitet der Staat - blind in seiner Jagd - Grenzen.

Aber weiter im Interview, auf die Frage zur Balance zwischen Freiheit und Sicherheit antwortet Frau Harms:
Wir werden doch schon jetzt überall erfasst: mit der Kreditkarte oder der Versicherungsnummer, etwa beim Arzt. Wir sind auf dem Weg zum gläsernen Menschen. Demnächst erhalten wir vom Finanzamt eine persönliche Identifikationsnummer, mit der wir überall identifiziert werden können. Ich finde das auch nicht schön, aber wir leben in einer Welt, in der Technik so viele Erfassungsmöglichkeiten hat, dass prinzipiell fast alles über jeden nachvollziehbar ist.
Aha? Wir sind sowieso auf dem Weg zum gläsernen Menschen, also machen wir mit? Was ist denn das für ein Argument?

Genau das wäre ein Argument für den gegenteiligen Standpunkt, eben weil man heute schon so gläsern ist, hat der Staat es einfacher bei der Verbrechensbekämpfung, und deswegen muß der Schutz der Freiheiten des Bürgers (und seiner Daten) ausgebaut werden, statt neue Werkzeuge für die Ermittlungsbehörden einzuführen.

[1]: Wobei mir hier Daten fehlen, wie hoch der Anteil derjenigen Kriminellen, die auf neue Kommunikationsmethoden ausweichen, wirklich ist. Auch über die Erfolgsrate der anderen Werkzeuge wären mehr Informationen wünschenswert.

Gefunden im Lawblog.

25
Mai
2007

20 schöne Grundrechte

...lagen in unsrer Natur, da traffen sich acht Politiker, da störten diese nur.

Tja, so langsam überlegt man, wieviel Grundrechte anläßlich des G8-Treffens noch übrig sind.

Die Versammlungsfreiheit mußte der Bannmeile (welche über 11 Tage geht) weichen.

Die Unverletzlichkeit der Wohnung gibt's für Globalisierungsgegner auch nicht mehr.

Die Freiheit der Person wird auch in Frage gestellt (Stichwort Unterbindungsgewahrsam).

Die Abnahme von Geruchsproben geht meines Erachtens schon ein wenig gegen die Menschenwürde.

Und nun hat die Hamburger Polizei in einer Aktion gleich zwei Grundrechte erschlagen: Das Postgeheimnis und die Pressefreiheit.

Die dortige Polizei hat Briefe durchsucht, um Bekennerbriefe an Medien abzufangen. Abgesehen vom Postgeheimnis finde ich, daß es eine arge Beeinträchtigung der Pressefreiheit ist, denn zu dieser gehört auch, daß Informanten ungehinderten Zugang zur Presse haben, genauso wie der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Presse und Informant.

Nachtrag: Die Gewaltenteilung funktioniert noch, das Schweriner Verwaltungsgericht hat die Bannmeile in dieser Ausgestaltung für rechtswidrig erklärt.

Nachtrag 2: Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat das Urteil des Schweriner Verwaltungsgerichts wieder aufgehoben. Die Bannmeile ist damit wieder in Kraft.

Nachtrag 3: Hier noch ein Beispiel für den Verlust der Pressefreiheit.

Hacker sind Terroristen

Heute Nacht wurde im Bundestag der verschärfte Hackerparagraph abgesegnet.

Jetzt ist auch das Abfangen von Daten aus einer nicht-öffentlichen Datenübermittlung (z.B. Polizeifunk) oder aus der elektromagnetischen Abstrahlung von Geräten darunter. Solche Datenübermittlungen müssen dabei ausdrücklich nicht besonders geschützt, also nicht verschlüsselt sein. Könnte darunter auch das unbefugte Nutzen privater, aber ungeschützter WLANs fallen?

Die gravierendste Änderung jedoch ist §202c und §303a/b StGB:
§ 202c - Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten

(1) Wer eine Straftat nach § 202a oder § 202b vorbereitet, indem er
  1. Passworte oder sonstige Sicherungscodes, die den Zugang zu Daten (§ 202a Abs. 2) ermöglichen, oder
  2. Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist,
herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verkauft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 149 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.
Hierzu gab es im Vorfeld schon recht laute Kritik. Vor allem die Absichtsklausel "Wer eine Straftat vorbereitet, indem er..." ist zweideutig. Bereitet man eine Straftat automatisch vor, wenn man das daruntergenannte tut? Oder muß man daruntergenanntes tun und gleichzeitig die Absicht haben, eine solche Straftat zu begehen? Mit der ersten Deutung würde allerdings Abs. 1 Nr. 1 recht lächerlich aussehen (ich stelle recht häufig Paßworte her). Die zweite Deutung hätte hingegen das Problem, daß die Absicht nie nachweisbar ist, solange man die Codes oder Programme nicht selbst für Straftaten nutzt.

Aber selbst wenn man die eingeschränkte zweite Deutung hernimmt (so daß also stets die Straftatsabsicht gegeben sein muß), so hat dieser Paragraph das Problem, daß man sich als Hersteller/Verbreiter von solcher Programmen nach §202c erstmal verdächtig macht, auch wenn man legitime Interessen verfolgt (z.B. für Sicherheitstests in eigenen Netzwerken), und damit sich einem schönen Instrumentarium der Polizei (Hausdurchsuchung, Beschlagnahmung von Hardware etc.) aussetzt.

Aber es geht ja noch weiter. §303a (rechtswidrige Datenveränderung) und §303b (Computersabotage) wurden auch um die Klauseln des §202c erweitert. Desweiteren gilt §303b nicht mehr nur für Betriebe, Unternehmen oder Behörden, sondern für jede Datenverarbeitungsanlage, die für einen anderen von wesentlicher Bedeutung ist. Damit dürften schon Hackübungen, die wir früher an den Schul-PCs oder an PCs von Freunden durchgeführt haben, darunter fallen.

Das schärfste aber ist, daß, wenn sich mehrere Menschen finden, um gemeinsam mal einen PC lahmzulegen, oder Software dazu zu schreiben, um einen PC lahmlegen zu können, diese Gruppe als terroristische Vereinigung nach §129a Abs 2. Nr. 2 angesehen wird, und damit die Polizei dann noch ein paar weitere Instrumente erhält (akustische Wohnraumüberwachung zum Beispiel). Der Polizeiwillkür sind dann nur noch wenige Grenzen gesetzt.

Dagegen hat übrigens nur Jörg Tauss (SPD) und die gesamte Linkspartei gestimmt.

PS: §303b Abs. 1 Nr. 2 sagt folgendes aus:
Wer eine Datenverarbeitung, die für einen anderen von wesentlicher Bedeutung ist, dadurch erheblich stört, dass er Daten in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, eingibt oder übermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Was ist, wenn das meine eigene Datenverarbeitung ist, die für jemand anderen wichtig ist, und ich denjenigen (weil er Mist gebaut hat) ausschließen will? Irgendwie vermisse ich in diesem Paragraphen das Wörtchen "unbefugt" oder "rechtswidrig".

Hinweis auf §129a aus Sex, Drugs & Compiler Construction.
Weitere Details und Meinungen auf Netzpolitik.org.

22
Mai
2007

Regierungsgeheimnisse

Inwieweit darf eine Regierung Geheimnisse vor seinen Bürgern oder auch nur dem Parlament haben? Eigentlich ist ja die Regierung (und damit die gesamte Exekutive) dem Parlament rechenschaftspflichtig, allerdings hat das Bundesverfassungsgericht diese Rechenschaftspflicht eingeschränkt, indem es den vom Parlament unantastbaren Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung definierte:
Angesichts dieser Verfassungslage und Verfahrensmöglichkeiten dürften sich nur unter ganz besonderen Umständen Gründe finden lassen, dem Untersuchungsausschuß Akten unter Berufung auf das Wohl des Bundes oder eines Landes vorzuenthalten. Solche Gründe können sich insbesondere aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz ergeben. Die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk (vgl. BVerfGE 9, 268 [281]) setzt notwendigerweise einen "Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" voraus (Scholz, Parlamentarischer Untersuchungsausschuß und Steuergeheimnis, AöR 105 [1980], S. 598), der einen auch von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich einschließt. Dazu gehört z. B. die Willensbildung der Regierung selbst, sowohl hinsichtlich der Erörterungen im Kabinett als auch bei der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen, die sich vornehmlich in ressortübergreifenden und -internen Abstimmungsprozessen vollzieht.
Allerdings führte das Bundesverfassungsgericht zu dieser Schranke weiter aus:
Die Kontrollkompetenz des Bundestages erstreckt sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Sie enthält nicht die Befugnis, in laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen einzugreifen. Aber auch bei abgeschlossenen Vorgängen sind Fälle möglich, in denen die Regierung aus dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung geheimzuhaltende Tatsachen mitzuteilen nicht verpflichtet ist.
Wenn der Untersuchungsausschuß aber Vorkehrungen zur Geheimhaltung dieser Tatsachen trifft, so hat die Exekutive auch geheime Informationen zu liefern, so das Urteil weiter.

Wie man sieht, ist dieser Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung als Schranke für die parlamentarische Kontrolle recht eng umrissen. Nun beruft sich die Bundesregierung aber regelmäßig auf diesen Kernbereich, dabei ging es dem Bundesverfassungsgericht vor allem darum, die unabhängige Willensbildung und Handlungsfreiheit der Exekutive zu schützen, nicht jedoch die nachträgliche Aufklärung solcher Handlungen zu verhindern. Deswegen hat nun die Opposition im BND-Untersuchungsausschuß eine Verfassungsklage gegen die Bundesregierung eingereicht, weil mit Hinweis auf diesen Kernbereich Informationen verweigert werden. Und genauso dürfte wie im oben zitierten Urteil oder anderen Beschlüßen der Ausgang ziemlich klar sein (es sollte doch wohl logisch sein, daß die Regierung beim Thema der Kenntnis/Mitwirkung/Unterlassungen von Geheimdiensten bei Verschleppungen und Foltern sich nicht auf ihre Handlungsfreiheit berufen kann). Aber es kann der Regierung doch herzlich egal sein, wie das Urteil ausfällt (das wir vielleicht in einem Jahr zu erwarten haben). Aufgrund der verfassungswidrigen Verhaltensweise drohen ihr keine Konsequenzen, sie hat aber dadurch viel Zeit gewonnen. Viel Zeit, in der man die Wahrheit besser modellieren kann (d.h. die passenden Dinge vergessen), viel Zeit, in der das Interesse schwindet.

Was dieser Vorgang recht deutlich zeigt, ist, daß die Exekutive, also in diesem Fall die Bundesregierung, bei ihrem Streben nach Macht bzw. Machterhaltung auch vor Verfassungsverstößen keinen Halt macht und damit auch Opfer von Staatsverbrechen absichtlich im Regen stehen läßt.

Sehr interessante Lektüre zum Thema BND-Untersuchungsausschuß ist das R-Archiv, wo auch weitere bemerkenswerte Verfassungsverstöße berichtet werden.

PS: Nach Steinmeiers "Eine Entschuldigung ist nicht angezeigt", und das, obwohl ein Unschuldiger in ein Foltergefängnis gesteckt wurde (es ist mir scheißegal, ob die Einschätzung als "Gefährder" richtig war oder nicht, wenn ihm keine Tat nachgewiesen worden ist, dann gehört er nicht in ein Gefängnis wie in Guantanamo), wäre spätestens ein Rücktritt angezeigt gewesen. Nun rückt er stattdessen in die Parteispitze der SPD als Stellvertreter Becks auf. Traurig, traurig.

16
Mai
2007

Terrorismusbekämpfung

Ja, ja, wir alle haben gedacht, mit Terroristen seien die bösen Menschen gemeint, welche auf Straßen, in Gebäuden oder Verkehrsmitteln Bomben explodieren lassen oder Flugzeuge entführen. Deswegen hat die Vorgänger- und die jetzige Regierung ja diverse Anti-Terror-Gesetze verabschiedet, um heimlich die Fahrzeug- und Fahzeughalterdaten, Bankkonten, die Post, Telefonverbindungen, Telefongespräche und gar die privaten Rechner von Terroristen und Kontaktpersonen zu durchsuchen und in einer Anti-Terror-Datei abzulegen.

Aber, wie wir jetzt erfahren, hat unsere Staatsgewalt eine ganz andere Vorstellung davon. Nicht nur diejenigen, welche die gesamte Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen, werden gesucht. Es reicht, wenn man den Politikern mit der Ankündigung von Demos ein bißchen Angst macht. Denn jetzt wird gegen Organisatoren von Anti-G8-Demonstrationen wegen Verdachts auf Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt und gleich mal eine Razzia durchgeführt, Durchwühlung privater Unterlagen und der Festplatte des Computers inklusive.

Und ein Versammlungsverbot über 1,5 Wochen wird erteilt, weil es den Verdacht gibt, daß "nicht nur" legitime Kritik geübt werden sollte. Vielleicht sollte mal jemand lesen, was das Bundesverfassungsgericht dazu geschrieben hat. Aber, ach ja, das sind ja alles Terroristen, und da darf man das.

Daß die Sicherheitsbehörden inzwischen sowieso das Augenmaß verloren haben, hat denen im heute veröffentlichtem Beschluß auch (nochmal/schon wieder) das Bundesverfassungsgericht mitgeteilt. Da wurde einfach mal das Telefon des CIA-Entführungsopfers Khaled El Masri und das seines Anwalts abgehört, vielleicht melde sich die CIA ja mal und entschuldige sich. Nachdem El Masri ja bereits schon entführt wurde, nimmt er weitere Beeinträchtigungen seiner Grundrechte ja bestimmt nicht mehr so übel...

Hinweis zum Brokdorf-Beschluß aus dem Lawblog.

Nachtrag: Das Schweriner Verwaltungsgericht hat Allgemeinverfügung, daß Demonstration 8 bis 10 Kilometern vom Zaun entfernt halten müssen, für rechtswidrig erklärt. (Gefunden im Lawblog.)

11
Mai
2007

Fragen unerwünscht

Daß man auf einem Amt eine Frage zum eigenen Anliegen stellen kann und daß man darauf eine korrekte Antwort bekommt, sollte doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Beim Finanzamt darf man seit Ende vergangenen Jahres für richtige Antworten zahlen (unsinnige Antworten weiterhin umsonst). Wie Andreas Kunze im Finblog berichtet, kostet je nach Gegenstandswert (dieser muß zwischen 5.000€ und 30 Mio. Euro liegen) zwischen 121€ und 91.456€.

Was genau stört mich daran, Gebühren sind doch alltäglich? Zum Einen, daß man diese Gebühr für eine Leistung entrichtet, die der Finanzbeamte bei der Bearbeitung der Steuererklärungen ohnehin tut, nur daß dann Korrekturen (die man durch solche Fragen hätte klären können) gleich den Rechtsweg beschreiten müssen. Außerdem sind diese Steuererklärungen nun nicht unbedingt eine freiwillige Angelegenheit, trotzdem darf man zahlen, um in die Lage versetzt zu werden, sie ordentlich auszufüllen. Aber am meisten stört mich die Begründung des Bundesrates, der diese Änderung im Jahressteuergesetz 2007 verlangte. Diese lautet nämlich unter Anderem:
Nach der gesetzlichen Normierung des Anspruchs auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft ist zu erwarten, dass die Anzahl der Anträge im Hinblick auf die Kompliziertheit des Steuerrechts stark ansteigen wird.
Wir machen das Steuerrecht so sehr kompliziert, daß kein normaler Mensch (inklusive Unternehmer) da durchblickt und daher nachfragen muß, und dann belegen wir diese aufgrund dieser Kompliziertheit gebotenen Nachfrage mit einer Gebühr, weil wir es so kompliziert gemacht haben! Wie wäre es damit, stattdessen und mal zur Abwechslung das Steuerrecht weniger kompliziert zu machen?

9
Mai
2007

Bitte um Verständnis

"Sehr geehrte Fahrgäste, der Zug hat eine Verspätung von 10 Minuten, wir bitten um Ihr Verständnis.", so tönte es oftmals bei der Deutschen Bahn. Und da fragte man sich stets, wie man Verständnis aufbringen könne, wenn man die Ursache nicht kenne. Wie soll man eine Verspätung einfach so verstehen - ohne Begründung? Anscheinend hat sich die Bahn das zu Herzen genommen und so höre ich inzwischen öfter eine Begründung für Verspätungen als früher.

Wie komme ich gerade jetzt darauf? Zum Verschwinden des Kommentars zu Diekmanns neuen Buch in Alan Poseners Weblog gibt es im BILDblog einen Nachtrag: Herr Posener wolle sich nicht zum Vorgang äußern und bitte dafür um Verständnis...

"Der große Selbstbetrug"

Bild-Cheflügner Kai Diekmann hat ein Buch mit dem Titel "Der große Selbstbetrug" geschrieben. Und ganz im Bild-Stil haben auch darin wieder alle anderen Schuld. So schreibt er:
"Das Erbe der 68er hat uns in eine Sackgasse geführt. Es wird Zeit, endlich umzukehren."
WamS-Kommentator Alan Posener hat daraufhin eine herrliche Erwiderung in seinem Weblog geschrieben, dabei aber anscheinend vergessen, daß er im gleichen Verlag arbeitet wie Herr Diekmann. Nachdem aber das BILDblog auf diesen Beitrag hinwies, verschwand er recht zügig, so sind jetzt leider nur noch einige Auszüge erhalten:
Ah ja, klar. (…) Die 68er haben K.D, gezwungen, als Chefredakteur der Bildzeitung nach Auffassung des Berliner Landgerichts "bewusst seinen wirtschaftlichen Vorteil aus der Persönlichkeitsrechtsverletzung Anderer" zu ziehen. Die 68er zwingen ihn noch heute, täglich auf der Seite 1 eine Wichsvorlage abzudrucken, und überhaupt auf fast allen Seiten die niedrigsten Instinkte der Bild-Leser zu bedienen, gleichzeitig aber scheinheilig auf der Papst-Welle mitzuschwimmen. (…) Man kann nicht die Bildzeitung machen und gleichzeitig in die Pose des alttestamentarischen Propheten schlüpfen, der die Sünden von Sodom und Gomorrha geißelt. So viel Selbstironie muss doch sein, dass man die Lächerlichkeit eines solchen Unterfangens begreift.
(…)
Wenn man ein bisschen zynisch ist, auf miniberöckte Vorzimmermiezen großen, auf Ernsthaftigkeit eher weniger Wert legt, kann man [bei "Bild"] Karriere machen, und das ist völlig OK so. Einer muss es ja machen, so wie einer den Dieter Bohlen machen muss, und einer den Papst. Aber wenn Dieter Bohlen den Papst geben würde, müsste man auch lachen, oder?
Ist doch gut zu wissen, daß im Springer-Verlag noch Disziplin herrscht und abtrünnige Kommentatoren sofort in ihre Schranken gewiesen werden. So ein ähnlicher Fehler ist Welt Online ja auch schon einmal passiert...

Nachtrag:
Laut Lawblogger Udo Vetter, der sie im im Moment nicht erreichbaren Blog von Peter Turi gesehen habe, gibt es eine Stellungnahme der Axel Springer AG dazu:
Stellungnahme der Axel Springer AG zum Beitrag von Alan Posener über Kai Diekmann

Dies ist die Entgleisung eines einzelnen Mitarbeiters. Der Beitrag von Alan Posener über Kai Diekmann ist ohne Wissen der Chefredaktion in den Weblog von Alan Posener gestellt worden.

Der Beitrag ist eine höchst unkollegiale Geste und entspricht nicht den Werten unserer Unternehmenskultur.

Bei Axel Springer gilt Meinungspluralismus, aber nicht Selbstprofilierung durch die Verächtlichmachung von Kollegen.
Lustig, daß bei einem Weblog die Chefredaktion hinzugezogen werden sollte. Aber das ist halt die Unternehmenskultur der Springer AG. "Bei Axel Springer gilt Meinungspluralismus", hahaha, deshalb werden gewisse Überzeugungen (z.B. die Solidarität zur USA) bei Bild auch in den Arbeitsverträgen festgeschrieben. Ansonsten geht es noch um Frage, wo die Grenze zwischen Verächtlichmachung und Kritik ist. Der Springer-Verlag, insbesondere die Bild-Zeitung, mißt da wohl gern mit zweierlei Maß, je nachdem, ob man selbst der Kritiker oder der Kritisierte ist (Details siehe viele Einträge im BILDblog). Doppelmoral hält besser.
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